Dieser Artikel von Helga und Wolfgang Ebert, kommentiert von dem RU-Berater, Rechtsanwalt Thomas Scholz, stammt aus der Mitgliederzeitschrift der Reisemobil-Union, Ausgabe 4/2012. (Seiten 14 und 15). Mitglieder der RU erhalten die Vereinszeitschrift kostenlos.>

Ein Reifenschaden bei Tempo 100 auf der Autobahn

Es war unsere erste Fahrt im Frühjahr, am 1. März 2012 und deshalb wissen wir es genau: Bei allen vier Winterreifen hatten wir den Reifendruck kontrolliert und eingestellt. Unsere Fahrt ging nach Norden auf der A 3. Bei Nürnberg fuhren wir eine ganze Weile mit Tempo 80-90 km/h gemächlich hinter einem Lkw her, um ihn dann doch zu überholen. Als beide Fahrzeuge etwa auf gleicher Höhe waren, gab es plötzlich ein fürchterliches Geräusch.

    Ich (Wolfgang) dachte erst, ich hätte den Lkw gestreift oder irgendwie die Leitplanke touchiert. Etwas Schreckliches war passiert, unser Reisemobil drohte aus der Spur zu geraten. Ich bremste stark ab, steuerte mit aller Kraft Richtung Leitplanke, um das Fahrzeug auf der rechten Spur zu halten. Dicht an der Mittelleitplanke kam das Auto schließlich zum Stehen. Unsere erste Sorge: Hoffentlich fährt uns kein anderer hinten drauf. Jetzt kam uns die gedankliche Vorarbeit zu Gute. Im letzten Jahr hatte ich einen Artikel über erste Maßnahmen nach einem Unfall für die MSa geschrieben. So gab es jetzt kein Suchen nach Warnwesten oder Warndreieck. Alles war in Griffweite. Um nachzusehen, was passiert war, mussten wir aussteigen: Der rechte Hinterreifen war geplatzt und die Gummiteile hatten durch ihre Wucht den Garagenboden im Bereich des Radkastens aufgerissen. Durch das so entstandene Loch waren Teile raus auf die Fahrbahn gefallen: Ein heller Plastiksack mit Putzlumpen und Reifenabdeckungen, die sich auf der Autobahn verteilt hatten. Im Nachhinein gesehen waren diese Brocken vielleicht unser Schutz, dass kein anderes Fahrzeug auf uns aufgefahren ist. Der Anruf Nummer 110 bei der Polizei brachte die Erkenntnis, dass andere Verkehrsteilnehmer den Unfall bereits gemeldet hatten und nach weniger als zehn Minuten waren zwei Einsatzfahrzeuge da. Der Rest war Routine: Teile einsammeln, unser Auto auf den Standstreifen überführen. Das ging aber erst nach kurzer Vollsperrung der Autobahn. Ein Abschleppwagen rückte an, der kaum größer war als unser Integrierter. Doch die Hinterreifen passten gerade noch auf die Ladefläche des Abschleppwagens. Das Gespann erreichte jetzt eine enorme Höhe und auch die Gewichtsverteilung war ungünstig. Den Reifen vor Ort zu wechseln, diese Möglichkeit ergab sich nicht, da unser Fahrzeug über kein Reserverad verfügte. Der Schwertransport fast im Schritttempo kam gut voran, wir kamen unter jeder Unterführung durch und landeten bei einer nahegelegenen Reifenfirma. Die hatten natürlich keinen passenden Winterreifen lagernd, so mussten wir beide Hinterreifen gegen Ganzjahresreifen ersetzen. Das Fahrzeug war jetzt zwar mit einem Loch im Unterboden wieder fahrtüchtig, aber in unserem geschockten Zustand war an eine Fortsetzung der Urlaubsfahrt nicht zu denken. Also nach Wertheim in die nächstgelegene Werkstatt. Dorthin steuerten wir unser Fahrzeug In der irrigen Annahme, dass wir unser Fahrzeug gleich in der Werkstatt lassen könnten. Als wir dann aber mitgeteilt bekamen, dass ein Reparaturbeginn auch wegen der Lieferzeit von Ersatzteilen frühestens Mitte Mai möglich wäre, mussten wir ganz umdisponieren und fuhren wieder nach Hause. Finanziell fühlten wir uns auf der sicheren Seite — unser Fahrzeug hat eine Vollkasko-Versicherung mit Selbstbeteiligung. Den Kostenvoranschlag samt Unfallschilderung reichten wir bei unserer Versicherung ein und bekamen vorab eine Reparaturfreigabe bis 5.000,— Euro. Da wir noch nie einen Unfall hatten, haben wir diese Zusage auch für eine Kostenübernahme gehalten. So haben wir der Werk;tatt den Auftrag erteilt, die Ersatzteile zu bestellen und die Reparatur vorzunehmen. Der Sachverständige der Versicherung kam am Tag vor Reparaturbeginn. Und jetzt gab eine herbe Ernüchterung: Da es sich bei unserem Schaden um einen sogenannten »Betriebsschaden« handeln sollte, haftete die Versicherung nicht! Das Wort »Betriebsschaden« hatten wir bis dato noch hört, geschweige denn im Kleingedruckten der Police gelesen. Auch wollte der Versicherungsfachmann den zerfetzten Reifen sehen. Der war bereits entsorgt und auch keiner hatte einen Hinweis gegeben für eine Sicherung als Beweisstück. Der Sachverständige wollte aufgrund der Reifenfetzen feststellen, wodurch der Reifen geplatzt war. Hätte beispielsweise ein Fremdgegenstand auf der Fahrbahn den Reifenschaden verursacht, dann wäre die Vollkaskoversicherung eingetreten. Uns fehlte aber jeder Beweis, wodurch der Reifen geplatzt ist. Es hätte durchaus möglich sein können, dass etwas auf der Fahrbahn lag und wir das nicht gesehen haben. Unsere Unfallschilderung enthielt auch keinen Hinweis auf einen Gegenstand auf der Fahrbahn.Und so schreiben wir diesen Artikel als Warnung für alle diejenigen, die eine vorschnelle Unfallschilderung ohne den Rat eines erfahrenen Fachmanns abgeben. Unsere Versicherung (KRAVAG) zeigte sich nach einem Gespräch mit unserem Versicherungsbüro RMV in Heinsberg im Nachhinein dennoch kompromissbereit und ersetzte uns 50 Prozent des Gesamtschadens. Dafür möchten wir uns bedanken.

    Danken möchten wir auch unseren Freunden von der Reisemobil Union, die uns am Tag des Unfalls unterstützt haben. Als Fazit wollen wir allen mit auf den Weg geben: Liebe Reisemobilfahrer - mit den Reifen ist es wie mit gutem Schuhwerk: regelmäßige Kontrolle erhöht die Lebensdauer. Und achten Sie bereits beim Kauf der Reifen auf Quali-tät und montieren Sie keine Billigreifen. Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser: Achten Sie bereits beim Kauf der Reifen darauf, dass gut gelagerte und neue Reifen aufmontiert werden. Für die Winterfahrer steht ja bald wieder ein Reifenwechsel an. Darum wünschen wir Euch allzeit gute Fahrt!

    Helga und Wolfgang Ebert, Burghausen in Oberbayern

    RU-Anwalt Thomas Scholz rät dazu

    1. Ruhe bewahren! Trotz Schock und Schrecken die Unfallstelle aus allen Richtungen fotografieren.
    2. Alle Schäden fotografisch sichern und den Hergang schriftlich protokollieren.
    3. Namen und Anschriften von Zeugen des Unfallgeschehens notieren.
    4. Alle beschädigten Teile sichern und mit nach Hause nehmen.
    5. Bei größerem Schaden Kontakt mit einem Rechtsanwalt aufnehmen und die weitere Vorgehensweise mit ihm besprechen.
    6. Der Kaskoversicherung den Schaden anzeigen und Schadensmeldung in Absprache mit dem Anwalt formulieren.
    7. Eine Kostenübernahmeerklärung der Versicherung einfordern.
    8. Kostenvoranschlag einer Fachwerkstatt
    9. Eventuell einen Gutachter hinzuziehen und ein Beweissicherungsgutachten erstellen lassen.
    10. Reparaturauftrag erst erteilen, wenn eine definitive Kostenerklärung der Versicherung vorliegt.