Ijsselmeer und ein bisschen mehr Niederlande…

Eine Reise in der spätsommerlichen Corona-Pause…

Text & Fotos: Kalle Meyer /Anne Büürma

Die Reiseabstinenz der vergangenen Wochen (Stand August 2020) hat ein Ende. Die sehr hohen Sommertemperaturen im August haben uns nicht unerheblich zu schaffen gemacht. Jenseits der 35° Celsius gibt es für uns nur noch „schlechtes Wetter“ und im Wohnmobil nicht mehr die erhoffte Erholung. Das Coronavirus gilt zu diesem Zeitpunkt zunächst als überwunden, oder es scheint zumindest beherrschbar. Welch ein Trugschluss, das wird die weitere Entwicklung im Herbst und Winter 2020/21 noch zeigen.

Im Augenblick ist nicht einmal vorstellbar, was noch kommen wird. Vielleicht ist es auch gut so.  Die Niederlande sollen das Ziel und das Thema der anstehenden Reise werden. Zwangsläufig wird es auch eine Reise in die Vergangenheit, denn vor vielen Jahren sind wir mit unseren Schiffen oft und gerne auf niederländischen Kanälen und Küstengebieten unterwegs gewesen. Aktuell (Stand August 2020) hoffen wir, dass uns das Coronavirus in Ruhe reisen lässt und wir uns nicht, wie in anderen Regionen, plötzlich in einem Risikogebiet wiederfinden.  Ruhig und gelassen, mit viel Routine, haben wir unsere Reise begonnen. Die Straßen erschienen uns recht belebt, ist es doch ein Freitag und der arbeitende Teil der Bevölkerung strebt nach Hause. Für uns kein Problem, denn die erste Etappe ist von der Entfernung her recht moderat. Bereits gegen Mittag standen wir auf dem Stellplatz des Yachthafens von Hengelo. Zuvorkommend begrüßte uns der Hafenmeister. Einen Stellplatz direkt am „Twentekanaal“ durften wir uns aussuchen. Große Binnenfrachter sind nun unsere Begleiter vor der Tür und sorgen für Abwechslung. Mit den Fahrrädern haben wir den Ort erkundet. Es präsentiert sich eine geschäftige Innenstadt. Viele Menschen sind unterwegs. Gefühlt hat jeder mindestens zwei Fahrräder, aber wenn wunderts, wir sind im Land der Fahrradfahrer. Ein erster Wunsch wurde auch gleich erfüllt. In einem Straßen-Café servierte man uns das lange vermisste „Appelgebak“. Ein Apfelkuchen der nur und ausschließlich in den Niederlanden so einmalig schmeckt.

Gerne haben wir die kleine Wartezeit im Café in Kauf genommen. Ein Gang über den örtlichen Wochenmarkt stand an, der überall in Europa so oder so ähnlich hätte sein können, nur eine Veränderung ist uns ganz besonders aufgefallen. Die Käufer und die Verkäufer zeichnen sich durch eine hohe Disziplin was die Einhaltung der Coronabedingten Abstände angeht, aus. In den Niederlanden gilt beim Einkauf keine Maskenpflicht, jedoch ein Abstandsgebot, das wie Selbstverständlich akzeptiert wird. Mit allseitiger Disziplin funktionieren die Corona-Regeln eben auch. Vielleicht wäre so eine Regelung auch etwas für Deutschland, anstatt sich in unnützen Demonstrationen gegenseitig abzuarbeiten.  Bei trockenem Wetter haben wir unsere Reise in Richtung Zwolle fortgesetzt. Über schönste Straßen ging es zügig voran, schließlich gibt es an einem Sonntag auch hier deutlich weniger Verkehr. Kurz vor unserem Ziel setzte Nieselregen ein und hat uns bis zum Stellplatz im Yachthafen „De Hanze“ in Zwolle begleitet. Okay, Regen muss auch mal sein. Es wird schon nicht so bleiben. Gut, dass Anne reichlich vorgesorgt hat. Auf dem Tisch befand sich „Hollandse Nieuwe“. Lecker Matjes mit Musik. Die Musik kommt später nach den reichlichen Zwiebeln. Ergänzt wurde das Essen noch zusätzlich mit „Gouda“ vom Feinsten. So kann man auch einmal einen Regentag überstehen. Mit unseren Fahrrädern ging es am nächsten Tag etwa drei/vier Kilometer über breite Fahrradwege in die „Binnenstad“ von Zwolle. 

Niederländischer geht es nicht mehr. Wunderschöne schmale Häuser säumen den Weg. Backstein Kirchen, eine sogar als Kneipe umgewidmet und viele junge Menschen auf den Straßen. Wer nicht zu Fuß unterwegs ist, der sitzt auf dem Fahrrad und wer dort nicht sitzt, befindet sich in einem der vielen Straßencafés. Kurz, eine Atmosphäre, die man eigentlich nur im Süden von Europa so erlebt. Uns erschließen sich immer wieder neue, andere Sichtachsen. Kleine, verwinkelte Gassen führen durch die ganze Stadt. Immer neue Straßenlokale voller Menschen kommen uns in den Blick. Zwolle ist eine überraschende Stadt. Wir genießen jeden Augenblick inmitten von vielen Studenten. Deren gelassene Lebensart und die Geschäftigkeit der Menschen, besonders auf unzähligen Fahrrädern beeindrucken uns. Wir haben das Gefühl, jedes neugeborene Baby wird zunächst einmal auf ein Fahrrad gesetzt, um schnellstens den Umgang damit zu lernen. Den Ausklang des Spazierganges durch Zwolle gestalteten wir auf dem „Pfannenkoekschip“ in einer der Grachten. So kann es mit der Kulinarik weiter gehen. Einige Kilometer weiter, jetzt in der Provinz Gelderland, erreichen wir Nijkerk. Wir stehen auf einem vollkommen automatisierten Stellplatz direkt am Wasser. Vor uns sehen wir die Fahrrinne der „Randmeere“. Die Windschutzscheibe unseres Wohnmobils wird zur Panoramascheibe. Mit den Fahrrädern sind wir in das nahegelegene Dorf Nijkerk gefahren. Gelassene Geschäftigkeit wechselt sich mit Caféhaus-Charme in der Hauptstraße ab. Fast südliche Atmosphäre auch hier. Der Sonne sei Dank. Danach versprach uns der Wetterdienst Dauerregen, der uns, wie angekündigt, voll erwischt hat. Landregen vom Feinsten fällt auf uns herab. Das „Randmeer“ direkt vor unserem Wohnmobil erscheint abwechselnd trübe bis völlig unsichtig. Nur gelegentlich passiert einmal eine Yacht oder ein Passagierschiff die Fahrrinne. Gut nur, dass gestern in den Abendstunden und in der Nacht noch richtig gutes Fotografier-Wetter herrschte. Entstanden sind dabei einige Fotos, die teilweise recht viel Geduld erforderten, um sie so und nicht anders in den Kasten zu bekommen. Kalte Hände und Füße eingeschlossen.  Hoorn, direkt am Ijsselmeer gelegen, haben wir uns als weiteres Ziel ausgesucht. Nur wenige hundert Meter vom Stellplatz im Yachthafen „De Grashaven“ entfernt befindet sich die „Binnenstad“. Wunderschöne Bausubstanz aus längst vergangenen Jahrhunderten ist hier noch fast vollständig erhalten. Die Gebäude, ja die gesamten „Binnenstad“, präsentieren sich als sehr gepflegte Einheit.

Man bekommt schnell einen ungefähren Eindruck von den niederländischen Glanzzeiten, dem „Goldenen Zeitalter“. Inmitten dieser baulichen Pracht schmeckt uns der Kaffee mit „Appelgebak“ besonders gut. Eine große Drehorgel untermalte den Spaziergang auf seine typisch holländische Art. Zu unserer großen Freude fand auch noch ein Wochenmarkt in den Straßen statt.  Nur ein kleiner Sprung ist es von Hoorn nach Den Helder direkt an der Nordsee. Der Stellplatz befindet sich, absolut zentral gelegen, auf dem ehemaligen Gelände der königlichen Marinewerft „Willemsoord“. Sie betreibt auch heute noch auf dem Gelände ein Marine-Museum. Wir stehen mit unserem Wohnmobil unmittelbar im Hafen und genießen die Seehafen-Atmosphäre gerne. Der Stellplatz ist gut besucht.  Gerade noch so haben wir Platz auf einer ausreichen großen Parzelle gefunden. Mit Anhänger kann das mitunter mal etwas schwieriger sein. Ein Spaziergang in die „Binnenstad“ schloss sich an. Es gibt nichts Spektakuläres zu sehen. Eine niederländische Einkaufszone halt. Nicht mehr und nicht weniger. Wer aufmerksam durch Den Helder schlendert, bemerkt, dass diese Stadt im 2. Weltkrieg schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Alte Häuser aus dem „goldenen  17. Jahrhundert“ sucht man vergebens. Sie sind wohl ein Opfer der deutschen Besatzung und der damit verbundenen Kriegsereignisse geworden. Der Seehafen allerdings ist schon sehenswert. Auf dem Gelände „Willemsoord“ findet man Geschäfte, Cafés, Restaurants und natürlich das Marine-Museum mit seinen historischen Schiffen. Mit den Fahrrädern einmal an der Nordsee entlangfahren, lautete der Wunsch. Das Wetter spielt mit, warum also nicht.

Das niederländische Militär veranstaltete mit einigen Hubschraubern Landeübungen auf vor Anker liegende Schiffe. Okay, muss auch sein. Für uns eine interessante Randerscheinung. Auf unserem Weg lag die Festung „Fort Kijkduin“. Neugierig haben wir das Fort besichtigt. Kaiser Napoleon aus Frankreich schützte damit schon in grauer Vorzeit seine militärischen Interessen. Adolf Nazi aus Deutschland integrierte die Festung in seinen „Atlantikwall“ und nun endlich ist die Festung das, was ihr am besten steht: Ein Museum und ein Aquarium in dem allerlei Kriegsgerät aus verschiedenen Jahrhunderten zu „bewundern“ ist. Das grauenhafte Leben innerhalb einer solchen Anlage wird sehr anschaulich dargestellt. Ein kleines Aquarium mit den Fischen, die draußen in der Nordsee leben, ist wirklich sehenswert. Es ist eine logische Ergänzung zu dem, was man mit Blick über den Deich Richtung Nordsee nicht sehen kann. Über den Abschlussdeich, der das Ijsselmeer von der Nordsee trennt, sind wir bis nach Leeuwarden gefahren. Der Stellplatz im „Nieuwe Leeuwarder Jachthafen“ wurde unser Quartier, gar nicht weit von der „Binnenstad“ entfernt. 

Mit unseren Fahrrädern überhaupt kein Problem. Lebhaftes Treiben empfing uns. Gefühlt wurden die Fußgänger von tausenden Fahrradfahrern geschickt umkurvt. Nicht langsam, sondern mit ganz schön Geschwindigkeit auf den Reifen. Alles aber funktioniert scheinbar problemlos. Das Glück war uns zugetan, denn gerade heute fand auch der Wochenmarkt statt. Für Anne Grund genug uns nochmals mit „Matjes satt“ beim Fischwagen zu versorgen. In Erwartung einer fast ausgestorbenen „Binnenstad“ nach deutschem Vorbild, sind wir an einem Sonntag in die Innenstadt gefahren. In seltener Einmütigkeit sind sich die Kirchen und die deutschen Gewerkschaften ja einig unsere Innenstädte sonntags für tot zu erklären. Die Geschäfte werden dann Amazon und Konsorten überlassen. Das Gejammer allerdings über die Verödung der Innenstädte ist groß. Ganz anders hier in Leeuwarden. Wer will öffnet sein Geschäft und es herrscht Trubel. Vor allem Textil-Geschäfte sind für die Kunden da und es wird kräftig genutzt. Die „Binnenstad“ ist sehr belebt. Kneipen und Caféhäuser gut besucht. Restaurants sind um die späte Mittagszeit gefüllt. Kurz es herrscht eine lebendige Einkaufsatmosphäre, in der es Spaß macht durch die Gassen zu flanieren. Daran könnte sich Deutschland ein Beispiel nehmen.  Erst bei unserer Abreise aus Leeuwarden und damit aus den Niederlanden, haben wir erfahren, dass die niederländische Provinz Noord-Holland, in der auch Den Helder liegt, zum Corona-Risikogebiet erklärt wurde. Wieder einmal ist es uns gelungen mit Glück rechtzeitig die Region zu verlassen.  Für uns war die nun vergangene Reise in die Niederlande sehr beeindruckend. Wir haben das typische „Holland“ erlebt und auch wiedererkannt. Die besuchten Orte hatten alle ihren ganz besonderen Charme. Faszinierend waren die vielen Fahrradfahrer und die für sie gebauten Fahrradwege. Eigene Fahrspuren mit mehr als ausreichender Breite, dazu ein eigenes Ampelsystem machen viel Spaß und gewährleisten sicheres Fahren. Nach unserem Eindruck ist das Fahrrad das Verkehrsmittel Nummer eins in den Niederlanden.  Das Coronavirus bestimmt seit Monaten unseren Alltag, auch auf dieser Reise. Dunkle Wolken scheinen sich über uns alle zusammenzuziehen. Wer weiß, ob die vergangene Reise nicht für eine längere Zeit die letzte gewesen ist. Pläne sind genügend vorhanden, doch ob sie im Herbst /Winter 2020/21 realisiert werden können, schein derzeit (Stand November 2020) mehr als zweifelhaft. (K.M.)